Freitag, 14. August 2009

Grün im Grau


Immer wenn ich in Berlin bin, kommt sie mir in den Sinn, diese eine ganz besondere Hose.
Lang ist es her, dass ich sie getragen habe, so 25 Jahre müssen es sein und natürlich hatte ich sie selbst genäht.
Die Mauer war noch nicht ins Wanken gekommen, sie teilte die Stadt in zwei Teile, in zwei Welten.
Ich besucht damals im Rahmen ein Seminars Theaterstücke in Ost-und Westberlin.
Am Morgen des Tages, in dem wir im Ostteil ins Theater gehen wollten, zog ich sie an, eine grasgrüne Haremshose, so eine, wie sie heute wieder etwas in Mode gekommen sind.
Nach der Passkontrolle, traffen wir im Osten auf eine graue Welt. In All dem Grau stand ich, ein kleiner, leuchtender, güner Farbklecks und alle Augen richteten sich auf mich.
Wo ich auch ging und stand, die Blicke folgten mir. Meinen ganzen Zwangsumtausch und noch viel mehr hätte ich dafür gegeben, wenn sich die Erde aufgetan und mich einfach verschluckt hätte. Mir war das Ganze so peinlich, doch ich konnte nicht einfach zurück, das Theaterstück am Abend wollte ich deswegen nicht verpassen.
Ich habe dann Stunden auf dem jüdischen Friedhof verbracht, da war nicht viel los und ich fühlte mich dort geschützt.
Wie war ich glücklich und erleichtert, als ich wieder auf westlichem Boden stand und mit meiner Kleidung in der Masse untertauchen konnte.
Heute kommte es auch immer mal wieder vor, dass ich mit meiner Kleidung auffalle. Darum geht es mir aber nicht, es ist halt der Preis, den ich dafür Zahl, dass ich trag was mir gefällt. Mit Mut hat das für mich nichts zu tun.
Mut hatten die Menschen vor 20 Jahren, die es wagten zu demonstrieren, gegen die damalige DDR-Regierung.
Wenn es auch nicht überall die versprochenen blühenden Landschaften gibt, ich findet es schön, dass jetzt auch der Ostteil von Berlin viel bunter geworden ist.

13 Kommentare:

  1. Hallo Allerleirauh.....auch ich habe mir letztes Jahr 3 Haremshosen genäht....nachdem ich sie in den 80ern miterlebte, war ich doch happy über ein Comeback.
    Mit meiner Kleidung geht es mir ebenso wie dir!
    Allerdings nicht nur mit meiner Kleidung, auch mit meiner manchmal etwas unverblümten Art meine Meinung kundzutun, stosse ich nicht immer nur auf Gegenliebe.
    aber that`s me!
    Und auch ich war das letzte mal in Berlin-Ost als die Mauer noch stand.....und habe dieses graue Gefühl gesehen.
    Und wer weiß, was ich als Bürger der Ex-DDR so angestellt hätte.......
    Hast du die Hose noch?
    Wie wäre es mit einem Haremshosen-Tag im Blog....
    LG Claudi

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  2. Liebe Allerleihrauh
    Toller Beitrag dein "Grün im Grau"! Grün ist die Farbe der Hoffnung... und diese Hoffnung hat sich ja dann erfüllt in Ostberlin von daher war dein "gewagter" Auftritt gar nicht mal so fehl am Platz ;-)
    Ich finde nichts langweiliger und einengender als ein Herdentier zu sein. Individualität ist für mich auch gleichgesetzt mit Freiheit und die ist es wert zu leben, mögen die Leute denken was sie wollen!
    Uebrigens... Wie habe ich als Kind diese Püppchen zum Ausschneiden mit ihren Papierkleidchen geliebt!!
    Viele liebe Grüsse auch von einer, die gerne denkt und macht, was sie will... Vilma

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  3. Die Hosen kenne ich auch noch, obwohl ich noch zu jung war. Aber dein Foto erinnert mich sehr an die Papierpuppen zum Anziehen und die hatte ich dich zu gerne *ggg*
    Ich bin übrigen auch anders als andere, nicht in der Kleidung aber in meinem Dasein. Manchmal ist es trotzdem sehr schwer anders zu sein. Stimmt mit Mut hat das nichts zu tun, man ist eben wie man ist...
    Zu Berlin kann ich leider gar nichts schreiben, da ich noch nie dort war. Aber vielleischt schaffe ich das mal, irgendwann...
    Elfische Grüsse

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  4. Claudi, du musst unbedingt mal nach Berlin, man erkennt es nicht wieder.
    Die Hose scheine ich irgendwann mal entsorgt zu haben, sie ist unauffindbar. Aber ein andere könnte ich zeigen, somit könnte ich schon mitmachen Haremshosentag.
    Elfe78, simmt, anders zu sein kann auch einsam machen.
    Liebe Grüsse, Allerleirau

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  5. Ein sehr schöner Beitrag! Ja manchmal ist es nicht leicht man selbst zu sein und aus dem Einheitsgrau hervorzustechen. Und trotzdem, gerade Menschen wie du bereichern den Alltag. Ich versuche auch immer häufiger so herumzulaufen wie ich es gern möchte. Manchmal fehlt mir leider ein bißchen der Mut.

    Viele liebe Grüße Tanja

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  6. Ich war auch in Ost-Berlin, damals 1986! Ich kenne das was du da erzählst genau. Kennst du die Geschichte von "Momo" von Michael Ende? Die grauen Männer, genau so empfand ich damals Ost-Berlin. Schlimme Zeit damals aber, meine Kinder kennen heute nur noch ein Deutschland alles andere ist Vergangenheit. Auch wenn es noch bestimmt einige Generationen dauern wird bis das alles in den Köpfen angekommen ist.
    Liebe Grüße
    ISabelle

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  7. Komisch, dass ihr das als Besucher ein wenig anders seht mit dem GRAU...in Berlin.
    Bin aufgewachsen in Ost-Berlin und habe genau 20 Jahre von den 40 miterlebt!
    Die Umgebung war sicher grau, so mit den unbunten Häuserfassaden und so (fast) ganz ohne jegliche Werbung.Aber auch ohne Müll!
    Nur die Menschen habe ich dagegen nicht als grau empfunden.
    Im Gegenteil haben wir rein kleidungstechnisch sehr viel selber gemacht und improvisiert, weil es in den Läden nur sehr wenig Auswahl oder eben nicht so schöne Teile gab.
    Also wurde kreativ aufgehübscht, selbstgestrickt, gefärbt und genäht...und sich wie wild gefreut, wenn man was aus dem Westen geschenkt bekam.
    Auch ich habe damals Theater für Kinder gemacht und wenn ich an die tollen Bühnenbilder und Requisiten denke, komme ich heute noch in`s Schwärmen...
    Nur als Andersdenkender war`s sehr schwer und darum bin ich damals auch auf die Straße gegangen, nicht aus Mut sondern weil wir diese unglaubliche Chance begriffen haben, endlich etwas verändern und bewegen zu können.
    Und ich kann nur sagen, es war die aufregendste Zeit meines Lebens.
    Und das im ganzen Sinne: positiv!!!

    Meine rste große Reise damals ging übrigens in die Schweiz...:O)

    GLG
    Peggy

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  8. Peggy, das habe ich mir schon gedacht, das ihr das anders gesehen habt, als wir, die wir aus einer eben vordergründig bunteren Welt gekommen sind. Irgendwie ja auch unter Eindruck des doch sehr bedrückenden Prozetere des Grenzübertritts standen und nur eine kurzen Blick von aussen hatten. Ich wollte mit meinem Text nicht werden, sondern einfach meine subjektiven Erleben damals schildern, nicht mehr und auch nicht weniger. Im Westen war und ist ja auch nicht alles Gold was glänzt oder bunt ist.
    Liebe Grüsse, Allerleirauh

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  9. Liebe Allerleirauh,

    nun muss ich mich als gänzlich Unbekannte hier doch einmischen, weil mich Dein Post und die Kommentare gar nicht mehr loslassen - vielleicht weil ich auch gerade von einer Berlin-Reise zurückkomme, von meinen "Ost"Eltern, die mit meinem jetzigen "West"Leben regelmäßig in innere Konflikte geraten und vice versa.

    Nein, für uns damals sah es nicht grau aus (ich war 21 zum Mauerfall) - und schon gar nicht habe ich mich je als graues Herdentier empfunden. Dass "Ihr" allerdings aufgefallen seid, auf der Straße, durch andere Kleidung, andere Frisuren, andere Brillen und anderes Auftreten, das weiß ich noch zu genau. Da in meinen Augen dieses Auftreten allerdings immer mit strotzendem Selbstbewusstsein verbunden war (ich musste nach der Wende erstmal lernen, dass "im Westen" auch nur mit Wasser gekocht wird, da wir nicht gelernt hatten uns irgendwie zu präsentieren) - verwundert und erschüttert mich dein damaliger Eindruck sehr!

    Ach, ich hoffe ich habe mit meinen Blicken nicht auch mal jemanden wie Dich dazu gebracht, im Boden versinken zu wollen ...

    Als ich 1991 nach dem Südwesten Deutschlands zog, aus Studiengründen und weil ich nun doch neugierig war auf dieses andere Leben, war ich dort zunächst einsamer denn je. Das ganze Bunt und Hübsch kam mir wie "heile Puppenstubenwelt" vor, ganz ehrlich. Und so fühlte ich mich damals auf einer Reise in Paris sehr wohl, weil es eben nicht nett-hübsch-bunt verputzt war, und im "alten" Thüringen kam mir ein heimatliches Gefühl auf, weil der alte graue verfallene Putz noch allerorten dominierte.
    So ist das eben mit dem Gewohnten und dem Neuen - es hat wohl mit der Farbe an sich nichts zu tun ...

    Übrigens war ich vor kurzem in Berlin in dem Wohnviertel, wo ich aufgewachsen bin - und war erschüttert über so manches, über bunte Werbung und Verfall gleichermaßen. (Habe darüber auch im Blog geschrieben, Mitte Juli irgendwann, ohne dass ich jetzt hier Werbung machen möchte - nur passt es gerade dazu so gut.)

    Und noch ein Übrigens: Heutzutage finde ich es schlimm, viel schlimmer als bei uns damals, wenn meine Schüler (bin Lehrerin an einem Gymnasium) alle (in Worten: alle!) so dermaßen uniformiert von H&M gekleidet sind - das gibt mir zu denken ...

    Und (Du siehst, ich kann kaum aufhören, gleich ist es ein Roman): Das von "Euch" immer wieder geschilderte Gefühl der Bedrückung am Grenzübergang kann ich erst heute nachvollziehen. Damals dachte ich immer voller Neid, was die sich so anstellen, die können wenigstens rüber.

    Kannst Du Dich zufällig noch erinnern, in welchem / welchen Theater(n) Ihr damals wart? Vor 25 Jahren war ich 15 und fing auch gerade an mit Theaterbesuchen - im Deutschen Theater, Kammerspiele, BE - möglicherweise haben wir sogar das gleiche Stück gesehen? Das fände ich jetzt wirklich einen bedeutenden Zufall!

    Liebe Grüße
    Uta

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  10. OH...es funktioniert also doch noch!
    aufregung meinerseits umsonst,
    SORRY!!!
    liebe grüße trotzdem ;)
    sylvie
    (und vielleicht treffen wir uns bei deinem nächsten berlin besuch!)

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  11. Uta, es ist wirklich schon lange her, aber ich glaube es war Bernarda Albas Haus von Lorca, welches Theater es war, weiss ich allerdings nicht mehr.
    Spannend was du geschrieben hast.
    Liebe Grüsse, Allerleirauh

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  12. Heute hab ich es geschafft - ich ging mit Hut aus dem Haus. Eigentlich ja nur, weil ich Himbeeren pflücken wollte und vorher bin ich noch schnell zum Metzger. Dort wird man immer mit Namen begrüsst. Ich habe innerlich lachen müssen, als die Metzgers Frau meinen erst Mal nicht wusste, weil sie mich mit Hut nicht kannte und auch eine junge Frau hat mich und das Hütchen lächelnd angeschaut. Kurz vor der Kasse ist ihr´s dann doch noch eingefallen - die kenn ich doch:)
    Soviel zu meinem Erlebnis.

    LG ninifee

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